Montag, 20. April 2015

Gestern 700, heute 300 - wo führt das noch hin?

Die Vorgänge in jüngster Zeit vor Lampedusa machen uns als Hilfsorganisation in einem der Länder, aus denen die Flüchtlinge kommen, das Herz schwer. Gemeinsam mit unseren Unterstützern stellen wir uns oft die Frage, was können wir noch tun? Doch für all diejenigen, die bisher noch nicht so viel Hintergrundwissen über die Situation in den Ländern haben, hier eine kurze Vorstellung.
Der Drang junger Männer nach Europa auszuwandern ist in Westafrika so groß, dass es fast so erscheint, als ob es ein Virus ist. Keine vernünftigen Argumente zählen mehr, die Betroffenen sind emotional und perspektivisch am Boden. Daher es ist als ob man gegen eine Wand redet, wenn man versucht sie aufzuhalten.
Ende März letzten Jahres erzählte uns der jüngste Bruder meines Mannes Habib, dass er mit 4 Freunden nach Europa aufbrechen wolle. Er beschrieb uns dann die Route, durch welche Länder sie führt etc. Er beendete seine Rede mit den Worten, dass sein Geld nur bis Niger reichen würde, und ob wir ihm noch Geld dazu geben würden. Wir versuchten es weiter. Mein Mann bot ihm an Arbeit für ihn zu finden, für ihn ein Geschäft für Baumaterialien zu eröffnen (er ist Constructor). Keine Chance, er wollte nach Europa. Wir haben ihm kein Geld gegeben. Ich hatte immer das Gefühl, wenn wir das tun, ist es als ob wir einen Selbstmord finanzieren.
Eine Woche später war er weg. Ende Juni erhielten wir dann die Nachricht, dass Habib tot sei. Die 5 Freunde sind auf dem Weg nach Lampedusa getrennt worden. Das Boot der anderen 4 hätte es geschafft, sein Boot ist gekentert. Allahu akbar, er war erst 30 Jahre alt.
Er sah für sich einfach keinen Ausweg mehr. Sein Vater tot, seine Mutter sehr arm, keine kontinuierliche Arbeit, kein Kapital, um eine kleine Baufirma zu gründen, an Heirat nicht zu denken, da die Brauteltern traditionell Unsummen verlangen. Schade, er war ein guter Junge.
Doch so ist die Situation in den Ländern der Auswanderer. Ein sehr großer Prozentsatz der Bevölkerung ist von Sponsoren aus Übersee abhängig, sei es von NGOs, die Schulgelder bezahlen, Brunnen bauen, andere Bautätigkeiten oder die medizinische Versorgung übernehmen etc. oder von Verwandten, die es nach Europa geschafft haben. In einer Schulklasse mit 50-60 Schülern können in der Regel nur 6 die Schulgebühren aus eigener Kraft bezahlen. Doch jeder weiß, dass die Abhängigkeit von Sponsoren Gefahren birgt, bricht die Hilfe weg, ist das Desaster perfekt, besser ist da noch die Hilfe zur Selbsthilfe. Das wiederum ist ein enormer Verwaltungsaufwand, weil es beobachtet und betreut werden muss.
Unsere Arbeit in unserer Hilfsorganisation setzt genau da an. Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe und haben zu diesem Zweck unter anderem ein Fischerboot gebaut, um 6 Fischern Arbeit zu geben und die Bevölkerung mit Fisch zu versorgen. Doch wir haben die Rechnung nicht mir den Politikern gemacht. Die Absicht war gut, doch nun  kann ich dazu nur sagen, die Situation ist besorgniserregend. Senegal hat seine Fischereirechte verkauft und erlaubt den einheimischen Fischern nur in einer Zone von zwei Seemeilen zu fischen. Dort dürfen die großen Fischerboote der Japaner und Europäer nicht eindringen. Nachts tun sie es aber doch, und so hat Senegal keine Fische mehr für die eigene Bevölkerung. Was tun die Fischer also, sie kommen nach Gambia. Gambia ist das kleinste Land auf dem afrikanischen Kontinent mit einer sehr schmalen Küste am Atlantik. Dort gibt es nun mittlerweile mehr senegalesische Fischer als gambische. Den täglichen Fang bringen sie dann per Auto nach Senegal, und so fehlt den Gambiern wiederum ihr größter Eiweißträger Fisch.
Ein anderes Problem ist wie überall die Landflucht. Die Jungen und Mädchen wollen aus den Dörfern in die Nähe der Hauptstadt, keiner möchte mehr Landwirtschaft machen. Am liebsten möchten alle in einer Bank arbeiten mit Anzug und Kravatte oder Politiker sein. So sind die Commerce- und Arts-Klassen der Ober-Schulen entsprechend voll. 60-70 Schüler in einer Klasse. In den Scienceklassen sind nur knapp 40.
Die ständig steigenden Preise durch die Inflation und die fehlende Preiskontrolle machen das Leben bei einem durchschnittlichen Monats-Einkommen von 30€ für einen Arbeiter und 60€ für einen Lehrer auch nicht einfacher. Die genauen Lebenshaltungskosten können in einem Blogeintrag auf unserem Blog help-the-poor-needy.blogspot.com nachgelesen werden. Nur so viel in Sachen Preis: ein Kilogramm Fleisch kostet 5€, 3 mittelgroße Fische 1€.
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